Unglaublich, wie viele attraktive Priester in Rom rumlaufen! Ich dachte immer schwule Jungs sind die hübschesten, um die es wirklich schade ist, dass sie für die Frauenwelt verloren sind. Aber dass frau nun auch der Priesterriege hinterher weinen muss è veramente un pecato! Wenn sie sich in der Mittagssonne in ihren schwarzen Anzügen und dunklen Sonnenbrillen in den Staßencafés räkeln oder in den spiegelnden Schaufenstern den weißen Kollar zurecht rücken, ist das die reinste Augenweide. Das hat fast schon was Man in Black oder Mafia mäßiges.
Zum Shoppen nach Rom gepilgert
Manchmal habe ich auch das Gefühl, die Priester, die aus aller Welt nach Rom pilgern, sind insgeheim mehr aufs Shopping als auf den Papstbesuch aus: Schließlich gibt’s hier an jeder Ecke Priestermoden-Geschäfte. Claudia hat neulich eine Gruppe amerikanischer Priester mit großen Einkaufstaschen beobachtet: „Die standen da, als ob sie Armani-Models wären!“ Yvonne ist ganz angetan von Herrn Gänswein, Privatsekretär von unserem Papa Ratzinger: „Ein reifer Mann, aber unglaublich gut aussehend!“, findet sie.
Nonnen, emanzipiert euch!
Während so die Damen für manch einen der männliche Gottesdiener schwärmen, verschwinden die weiblichen Exemplare der Kirche im Unscheinbaren: Schwester Magdalena, die mit mir an der LUMSA Erasmus macht, kann von einem feschen Outfit nur träumen: Die Nonnen des Kapuziner-Klosters laufen immer in der gleichen Sackähnlichen Ordenstracht herum. Im Sommer tauschen viele Nonnen in der Hitze Roms lediglich das schwarze gegen ein weißes Gewand. Getreu ihres Gelübdes der Armut, Keuschheit und des Gehorsam scheinen sie sich damit abgefunden zu haben, während die Klamottenfrage unter Priestern, Predigern und Mönchen tatsächlich ein delikateres Problem zu sein scheint. Sehr nett, wie darüber auf www.kathnews.com diskutiert wird: User und Prediger „Tetzel“ schreibt an „Guilain“ (der behauptet hat, dass „historisch gesehen Kleriker-, Ordens- und liturgische Kleidung stehen gebliebene Mode“ seien): „Nein Zeitlos. Das Priestergewand wurde auch durch die Zeiten geändert. Und was ist bitte bei einem schwarzen Hemd mit Collar unmodisch??? Die Kirche war halt schon immer ihrer Zeit voraus!!! Du wirst Dir wahrscheinlich jede Saison neue Klamotten kaufen und sie paar Tage später wieder wegschmeißen!!!??? Was heute modern, ist morgen schon wieder out!! Oder trägst Du Deine Plateauschuhe noch!!???“
Die ausführliche Diskussion gibt’s unter http://www.kathnews.com/wbboard/thread.php?postid=134024
Donnerstag, 24. Mai 2007
Big Brother is watching you...
Nummer zwei der Geschwister-Riege war Anfang Mai in Rom, jetzt gibt's hier endlich die Fotos von unseren Touren. Glauco hat Ferdl auch gleich einen neuen Namen verpasst: Nachdem er Hannes schon in Jonny umgetauft hat, hat Ferdi den Spitznamen Nando verpasst bekommen..
Mit Nando also habe ichs endlich geschafft, mal das Katzenasyl beim Torre Argentino zu besichtigen: Knapp 300 heimatlose "gatti" leben in den Ruinen des ehemaligen Theater des Pompeijus und halten ihr Mittagsschläfchen oft an genau der Stelle, wo Caesar vermutlich ermordet wurde. Demnächst gibt's da mehr drüber...
Mit Nando also habe ichs endlich geschafft, mal das Katzenasyl beim Torre Argentino zu besichtigen: Knapp 300 heimatlose "gatti" leben in den Ruinen des ehemaligen Theater des Pompeijus und halten ihr Mittagsschläfchen oft an genau der Stelle, wo Caesar vermutlich ermordet wurde. Demnächst gibt's da mehr drüber...
Ferdi in Rom |
Dienstag, 22. Mai 2007
Ein Bild und seine Geschichte - Una foto e la sua storia:
Jetzt seid ihr dran! Hab auf unserem Neapel-Trip vor zwei Wochen folgendes entdeckt: In einer Gasse steht ein Wäscheständer mit total verdreckter Wäsche. Wer hängt denn dreckige Wäsche zum Trocknen auf? Oder waren die Klamotten frisch gewaschen und wurden nur im Straßenstaub vergessen? Ist der Wäscheständerbesitzer womöglich schon vor Monaten verstorben? Was ist hier passiert!? Freu mich über kreative Vorschläge!
P.s.: Mehr Fotos von unsrer Reise gibts hier:
http://picasaweb.google.de/schlora/Neapel
Tocca a voi! Due settimane fa, durante il nostro viaggio a Napoli, ho visto qualcosa di veramente strano: In un vicolo ho trovato uno stendino e – sorpresa – tutti panni erano pieni di polvere. Chi li ha stesi? Oppure qualcuno ha dimenticato di ritirarli e perché li ha dimenticati? Ma soprattutto, forse questa persona non tornerà piu perché è gia morta tanto tempo fa? Chi sa!? Voglio ricevere i vostri fantasiosi commenti!
P.s.: Le foto del viaggio vi trovate qui: http://picasaweb.google.de/schlora/Neapel
"Pack die Kamera weg, die klauen sie dir nur!" - Ein Trip nach Neapel
29. April
Sitzen mit überwiegend pensionierten Touristen in der Metrò del Mare, einer Fähre, die ab Neapel die Küste gen Süden abfährt. Ziel: Amalfi, der Reiseführer zitiert zur Beschreibung der eigentlich unbeschreiblichen Schönheit Renato Fucini: "Der Tag des jüngsgten Gerichts wird für die Bewohner von Amalfi, die das Paradies erblicken werden, ein Tag wie jeder andere sein."
Je mehr Städtreisen ich mache, desto deutlicher merke ich, dass mir das Abklappern von Sehenswürdigkeiten immer weniger taugt. In jeder Kirche kann man Münzen einwerfen, die eine elektrische Kerze anzünden - Flackereffekt mit inbegriffen. Man läuft sich die Füße wund, weil man DAS ja auch noch gesehen haben muss. Was ich gestern so cool fand, war einfach nur durch die Gassen Neapels zu schlendern, das Alltagstreiben der Bewohner zu beobachten, den kickenden Jungs zwischen den Häuserschluchten den Ball zurück zu spielen, mit der Mamma und ihren beiden Töchtern, am Straßenrand einen Plausch halten, während sie auf einem Biertisch vor ihrem Laden eine kleine Straßenküche aufgebaut haben. Es gibt nur ein Gericht, das heute unter den weissen Sonnenschirmen zubereitet wird: Mit Ricotta, Speck und Tomatensoße gefüllte Pizza, ausgebacken in heißem Fett und unglaublich lecker. "Wir haben immer gedacht, Deutsche wären so kalt!", wundert sich die Mamma, "Aber ihr seit so herzlich!"
Auch das Frühstück heute morgen im Hotel war ein interessantes Erlebnis: Als wir kurz nach sieben in den Speiseraum kommen, ist so gut wie noch nichts vorbereitet. Der - nennen wir ihn Kellner - bestückt gerade das Buffet mit Scheiblettenkäse, klebrigwässigrigem Schinken, trockenem Toast und abgepackten Schockohörnchen: Das ist also das beschriebene "Internationales Frühstück". Nebenbei kuckt er im viel zu laut aufgedrehten Fernseher noch die Sportnachrichten, als ich ihn um einen Löffel bitte, ist er mit seinem Multitasking am Ende und winkt mich hinter den Tresen, wo ich mir den Löffel selbst aus der Schublade suchen darf. Der Latte Macchiato, den er uns bringt ist eindeutig ein Cappuccino, für einen Italiener ein folgenschweres Vegehen, das zu Verwechseln! Erst beim auschecken finden wir raus, warum wir den harten neapolitanischen Dialekt des Personals nie verstanden haben: Dass das Hotel wird von Russen betrieben.
Oh, wir sind da: Gerade legt die Fähre in Amalfi an: Buntgetünchte Häuser, ein schöner Dom und MASSEN an Touristen. Beim Aussteigen vergeht mir fast schon die Lust mich in die engen Gassen zu wagen. Terribile! Auch in Positano, unserem nächsten Ziel regierte der Tourismus. Alle (alle!) Läden, die es hier gab, waren ausschließlich aufs Souveniergeschäft aus. Sind also schnurstracks zum Strand vorgeprescht und haben dort in etwas entspannterer Atmosphäre die schöne Landschaft genossen.
Auf dem Heimweg im krass überfüllten Regionalbus ist dann mitten am gefährlichsten Eck der steien Küstenstrasse die Achse gebrochen und wir mussten die restlichen 2 Stunden nach Neapel heimtrampen.
Pompeij am nächsten Tag war unglaublich beeindruckend! Hätten wir da mal eine Exkursion mit Latein hingemacht, hätte ich mich bestimmt mehr für die römische Geschichte interessiert! Vor allem der "Garten der Flüchtenden" ist echt grausig: Hier sieht man die Abdrücke von Sterbenden, die vom Vesuv-Ausbruch überrascht wurden.
Entgegen aller Horrorgeschichten wurde keinem von uns was geklaut die drei Tage. Wie roh es aber normalerweise in Neapel zugehen muss, lässt sich aus dem Ruf des Entsetzens dreier verschiedener Einheimischer erkennen, die mir allesamt geraten haben: "Pack um himmelswillen die Kamera weg!", worauf ich leider nur antworten konnte, dass eine Kamera im Rucksack drin nicht ihrer eigentlichen Bestimmung entspricht :-)
Montag, 21. Mai 2007
Evento Nazionale di Erasmus a Capo Vaticano (Calabria)
18. Mai, früh morgens
Ein kräftiger Ruck. Die Bremsen quietschen, dann steht der Zug still. Zum dritten Mal in wenigen Stunden hat jemand die Notbremse gezogen. Einfach so zum Spaß, weil sie betrunken waren eben. Auch die Feuerlöscher haben sie aus reinem Übermut aus den Verankerungen gerissen und Klos und Gänge damit weiß gepudert.
Hand auf Schulter tanzen lange Polonäseschlangen von Wagon zu Wagon, begleitet vom „Alcol, alcol, alcol, alcol…nananananana…!“-Schlachtruf. Man zieht von einem 6er Abteil zum nächsten um sich freudig auf das größte Erasmus-Treffen, das ESN (Erasmus Student Network) bisher in Italien organisiert hat, einzustimmen: 1000 Studenten aus ganz Europa (vereinzelt auch ein paar Amis und Brasilianer) werden die nächsten drei Tage in Capo Vaticano, an der tyrrhenischen Küste Kalabriens verbringen.
Schon am Spätnachmittag war der Sonderzug in Mailand losgefahren, hat dann über Parma und Florenz in jeder größeren Stadt an der Strecke die Erasmusstudenten aufgesammelt. Nach Rom und Neapel im Morgengrauen drängen sich fast alle der 1000 Teilnehmer in den Alkohol geschwängerten Wagen.
Trink oder stirb heißt heute Nacht die Devise. Wer sich nicht schon beim stundenlangen Warten am Bahnhof - in freundlicher Nachbarschaft mit ein paar Pennern, die sich beeindruckt von der riesigen Bowleschüssel (=Einkaufswagen mit Müllsäcken ausgekleidet und randvoll mit Sangria)zu uns gesellt haben - auf einen gewissen Pegel eingetrunken hat, ist arm dran: Als ich nüchtern in den Zug steige, trifft mich fast der Schlag: So was hab ich noch nie gesehen! Eine unvorstellbare Orgie tobt in den alten Wagons mit 70er Jahre Interieur. Ausnahmslos zukünftige Akademiker zerlegen im Rausch den kompletten Zug, es wird rumgeschubst, auf die gläsernen Abteiltüren eingedroschen, jedem, der im Ansatz zu schlafen versucht, wird mit dem Megafon das Gehör aus dem Kopf geblasen. Jetzt wird mir klar, was die Spanier immer damit gemeint haben, wir deutschen könnten nicht richtig „feiern“.
Gegen Mittag haben wir die Tortour überstanden. Doch anstatt die krankenhausreife Bande direkt an den Strand zu entlassen, werden wir mit Reisebussen noch zu einer Konferenzhalle befördert, in der die Begrüßungsveranstaltung mit den Bürgermeistern der umliegenden Dörfer und Gemeinden stattfand. Schon nach wenigen Minuten hat’s da drin so unglaublich nach Alkohol, nach ungeputzten Zähnen, nach angekotzten Kleidern und ungewaschenen Jungs gedünstet, ein Wunder, dass das Podium nicht sofort geflüchtet ist. Während der Bürgermeister von Capo Vaticano noch mit verzerrtem Gesicht „Erasmus“ als „Futuro dell’Europa“ preist, stimmt die desinteressierte Masse wieder in den „Alcol, alcol, alcol...“ - Chor ein. Für viele ist das die traurige Essenz von Erasmus: Ein Semester Koma-Saufen.
Das Erasmus Student Network, deren selbst gewählte Aufgabe es eigentlich ist, sich um die fremden Studenten in ihrem Land zu kümmern, ihnen ihre Kultur näher zu bringen und bei Alltagsschwierigkeiten zu helfen, tragen mit Schuld an dem Feier-Anspruch, den einzigen, den viele an ihr Auslandssemester erheben: In jeder Mail, sei es die Einladung zum frühmorgendlichen Osterpicknick oder dem Kulturtrip nach Ostia Antica, wird in Fettschrift daran erinnert ja an den „Alcol per fare una bella festa“ zu denken.
19. Mai
Als wir beim Frühstück auf der großen Terrasse am Meer sitzen, hab ich die anstrengende Zugfahrt schon fast vergessen. Ich bin ich gut drauf, freu mich auf die Trips nach Tropea („atemberaubend schöne, uralte Stadt auf einem Felsen hoch über dem türkisblauen Meer“, schreibt der Reiseführer) und Spilonga, einem paarhundert Seelen Dorf, das extra für die Erasmus-Invasion ein Dorffest mit Musik von den „Calabria Esaurita“, traditionellen Spielen und kalabrischen Spezialitäten (sauscharfe Salami und Käse) veranstaltet hat. Die Jungs der Coverband sind schon etwas in die Jahre gekommen: Alle drei sind sie bereits weiß-grau, rocken aber von Knocking on Heavens Door über altitalienische Schnulzen als ob sie 20 wären. Als am Ende eine Tarantella gespielt wird, tapst ein italienischer Opi gebückt durch die tanzenden Studenten und fordert schließlich die Mädels zum traditionellen Tanz auf. Wir sind außer uns, bilden einen Kreis um ihn und feuern den tanzenden Greis lauthals an. Che bellissimo!
20. Mai
In Capo Vaticano sind wir in einem riesigen Feriendorf untergebracht. Immer zu 4. oder 5. bewohnen wir Bungalows, nur ein paar Schritte vom Meer entfernt. Nach dem gestrigen Kulturprogramm ist heute Urlaub angesagt. Direkt nach dem Aufstehen geht’s an den Strand, lesen, faulenzen, baden, Kultur-Unterschieds-Gespräche führen. Heute bin ich mir sicher: Jedem ist freigestellt, sein Semester hier zu gestalten wie er möchte. Wer Lust drauf hat, sich jeden Abend zu betrinken, soll er doch. Wenn es allein diese Gespräche spät am Morgen sind, dann wenn der Rausch einer gewissen Melancholie und Nachdenklichkeit gewichen ist, in denen immer wieder um unsere verschiedenen Kulturen geht, hat Erasmus etwas Entscheidendes geleistet: Man bekommt eine Ahnung davon, was Europa voneinander hält und denkt, wir erfahren in welche Schubladen wir Deutsche gesteckt werden und welche unserer Vorstellungen schlicht falsch sind. Ein tolles Gefühl, wenn man’s gemeinsam schafft, das ein oder andre Vorurteil aus der Welt zu schaffen: „Ich dachte immer ihr Deutschen seit alle so reserviert und bitterernst!“, wunderten sich die Portugiesen. Manches können wir tatsächlich schmunzelnd bestätigen, zum Beispiel, dass wir generell eine bessere Organisation, ein besseres Zeitmanagement gewohnt sind. (Dass der Treffpunkt auf vier Stunden vor Abfahrt des Zuges festgelegt werden muss, weil von mindestens drei Stunden Verspätung aller Spanier ausgegangen wird, ist für uns unglaublich!) Wir sind nicht so Großgruppen vernarrt und haben vielleicht nicht so viel „Feuer“ in uns wie die Südländer. Mir jedenfalls fehlt irgendwie die Energie jeden Morgen bis acht oder zehn Party zu machen, wenn ich gegen vier Uhr nach einer durchtanzten Nacht das Handtuch geworfen habe, wird das als typisch deutsch abgestempelt. Von einem Vorurteil musste aber auch ich mich dieses Wochenende verabschieden: Portugiesen und Spanier können nämlich sehr wohl fiese Sonnenbrände kriegen!
Ein kräftiger Ruck. Die Bremsen quietschen, dann steht der Zug still. Zum dritten Mal in wenigen Stunden hat jemand die Notbremse gezogen. Einfach so zum Spaß, weil sie betrunken waren eben. Auch die Feuerlöscher haben sie aus reinem Übermut aus den Verankerungen gerissen und Klos und Gänge damit weiß gepudert.
Hand auf Schulter tanzen lange Polonäseschlangen von Wagon zu Wagon, begleitet vom „Alcol, alcol, alcol, alcol…nananananana…!“-Schlachtruf. Man zieht von einem 6er Abteil zum nächsten um sich freudig auf das größte Erasmus-Treffen, das ESN (Erasmus Student Network) bisher in Italien organisiert hat, einzustimmen: 1000 Studenten aus ganz Europa (vereinzelt auch ein paar Amis und Brasilianer) werden die nächsten drei Tage in Capo Vaticano, an der tyrrhenischen Küste Kalabriens verbringen.
Schon am Spätnachmittag war der Sonderzug in Mailand losgefahren, hat dann über Parma und Florenz in jeder größeren Stadt an der Strecke die Erasmusstudenten aufgesammelt. Nach Rom und Neapel im Morgengrauen drängen sich fast alle der 1000 Teilnehmer in den Alkohol geschwängerten Wagen.
Trink oder stirb heißt heute Nacht die Devise. Wer sich nicht schon beim stundenlangen Warten am Bahnhof - in freundlicher Nachbarschaft mit ein paar Pennern, die sich beeindruckt von der riesigen Bowleschüssel (=Einkaufswagen mit Müllsäcken ausgekleidet und randvoll mit Sangria)zu uns gesellt haben - auf einen gewissen Pegel eingetrunken hat, ist arm dran: Als ich nüchtern in den Zug steige, trifft mich fast der Schlag: So was hab ich noch nie gesehen! Eine unvorstellbare Orgie tobt in den alten Wagons mit 70er Jahre Interieur. Ausnahmslos zukünftige Akademiker zerlegen im Rausch den kompletten Zug, es wird rumgeschubst, auf die gläsernen Abteiltüren eingedroschen, jedem, der im Ansatz zu schlafen versucht, wird mit dem Megafon das Gehör aus dem Kopf geblasen. Jetzt wird mir klar, was die Spanier immer damit gemeint haben, wir deutschen könnten nicht richtig „feiern“.
Gegen Mittag haben wir die Tortour überstanden. Doch anstatt die krankenhausreife Bande direkt an den Strand zu entlassen, werden wir mit Reisebussen noch zu einer Konferenzhalle befördert, in der die Begrüßungsveranstaltung mit den Bürgermeistern der umliegenden Dörfer und Gemeinden stattfand. Schon nach wenigen Minuten hat’s da drin so unglaublich nach Alkohol, nach ungeputzten Zähnen, nach angekotzten Kleidern und ungewaschenen Jungs gedünstet, ein Wunder, dass das Podium nicht sofort geflüchtet ist. Während der Bürgermeister von Capo Vaticano noch mit verzerrtem Gesicht „Erasmus“ als „Futuro dell’Europa“ preist, stimmt die desinteressierte Masse wieder in den „Alcol, alcol, alcol...“ - Chor ein. Für viele ist das die traurige Essenz von Erasmus: Ein Semester Koma-Saufen.
Das Erasmus Student Network, deren selbst gewählte Aufgabe es eigentlich ist, sich um die fremden Studenten in ihrem Land zu kümmern, ihnen ihre Kultur näher zu bringen und bei Alltagsschwierigkeiten zu helfen, tragen mit Schuld an dem Feier-Anspruch, den einzigen, den viele an ihr Auslandssemester erheben: In jeder Mail, sei es die Einladung zum frühmorgendlichen Osterpicknick oder dem Kulturtrip nach Ostia Antica, wird in Fettschrift daran erinnert ja an den „Alcol per fare una bella festa“ zu denken.
19. Mai
Als wir beim Frühstück auf der großen Terrasse am Meer sitzen, hab ich die anstrengende Zugfahrt schon fast vergessen. Ich bin ich gut drauf, freu mich auf die Trips nach Tropea („atemberaubend schöne, uralte Stadt auf einem Felsen hoch über dem türkisblauen Meer“, schreibt der Reiseführer) und Spilonga, einem paarhundert Seelen Dorf, das extra für die Erasmus-Invasion ein Dorffest mit Musik von den „Calabria Esaurita“, traditionellen Spielen und kalabrischen Spezialitäten (sauscharfe Salami und Käse) veranstaltet hat. Die Jungs der Coverband sind schon etwas in die Jahre gekommen: Alle drei sind sie bereits weiß-grau, rocken aber von Knocking on Heavens Door über altitalienische Schnulzen als ob sie 20 wären. Als am Ende eine Tarantella gespielt wird, tapst ein italienischer Opi gebückt durch die tanzenden Studenten und fordert schließlich die Mädels zum traditionellen Tanz auf. Wir sind außer uns, bilden einen Kreis um ihn und feuern den tanzenden Greis lauthals an. Che bellissimo!
20. Mai
In Capo Vaticano sind wir in einem riesigen Feriendorf untergebracht. Immer zu 4. oder 5. bewohnen wir Bungalows, nur ein paar Schritte vom Meer entfernt. Nach dem gestrigen Kulturprogramm ist heute Urlaub angesagt. Direkt nach dem Aufstehen geht’s an den Strand, lesen, faulenzen, baden, Kultur-Unterschieds-Gespräche führen. Heute bin ich mir sicher: Jedem ist freigestellt, sein Semester hier zu gestalten wie er möchte. Wer Lust drauf hat, sich jeden Abend zu betrinken, soll er doch. Wenn es allein diese Gespräche spät am Morgen sind, dann wenn der Rausch einer gewissen Melancholie und Nachdenklichkeit gewichen ist, in denen immer wieder um unsere verschiedenen Kulturen geht, hat Erasmus etwas Entscheidendes geleistet: Man bekommt eine Ahnung davon, was Europa voneinander hält und denkt, wir erfahren in welche Schubladen wir Deutsche gesteckt werden und welche unserer Vorstellungen schlicht falsch sind. Ein tolles Gefühl, wenn man’s gemeinsam schafft, das ein oder andre Vorurteil aus der Welt zu schaffen: „Ich dachte immer ihr Deutschen seit alle so reserviert und bitterernst!“, wunderten sich die Portugiesen. Manches können wir tatsächlich schmunzelnd bestätigen, zum Beispiel, dass wir generell eine bessere Organisation, ein besseres Zeitmanagement gewohnt sind. (Dass der Treffpunkt auf vier Stunden vor Abfahrt des Zuges festgelegt werden muss, weil von mindestens drei Stunden Verspätung aller Spanier ausgegangen wird, ist für uns unglaublich!) Wir sind nicht so Großgruppen vernarrt und haben vielleicht nicht so viel „Feuer“ in uns wie die Südländer. Mir jedenfalls fehlt irgendwie die Energie jeden Morgen bis acht oder zehn Party zu machen, wenn ich gegen vier Uhr nach einer durchtanzten Nacht das Handtuch geworfen habe, wird das als typisch deutsch abgestempelt. Von einem Vorurteil musste aber auch ich mich dieses Wochenende verabschieden: Portugiesen und Spanier können nämlich sehr wohl fiese Sonnenbrände kriegen!
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